Der Bildband auf Insta
Einblick in einen Mikrokosmos, zu dem man normalerweise keinen Zugang hat. Schräg, lustig und traurig: Ein Bildband jenseits der Klischees.
Er kennt fast jeden Zentimeter der 92 Bilder, die an der Spreuer- und Kapellbrücke hängen. Marco Rebel (52) ist ausgebildeter Konservator-Restaurator FH. Die Bildtafeln sind die Werke, um die er sich mit Hingabe kümmert. Auch bei den fast 200 Giebelbildern der verschwundenen Hofbrücke hat er beim Restaurieren mitgeholfen. «Die erste Bildtafel durfte ich während meines Praktikums bei einem Luzerner Restaurator bearbeiten», sagt Marco Rebel. Das war vor 30 Jahren.
Eine schöne und wichtige Arbeit.
Für jedes Bild hat Rebel einen rund zehnseitigen Bericht erstellt und sämtliche Schäden, Auffälligkeiten, Veränderungen und Gefahren dokumentiert. «Anhand dieses Zustandberichtes entscheidet die Denkmalpflege, ob resp. wenn eine Tafel restauriert wird.»
Marco Rebel, Restaurator
Micha Eicher: Schreibt, fotografiert, begegnet Menschen.Wer arbeitet hinter den Kulissen deines Unternehmens? Für eine gelungene Firmenreportage müssen die flinksten Mitarbeiterhände mal ganz langsam mit dem Pinsel hantieren und im Wunschtempo der Fotografin über die Leinwand fahren.
Für die Stadt Luzern und unsere Partneragentur Digital Heroes durften wir ¨überraschende Geschichten rund um die berühmten Holzbrücken recherchieren: Wer schaut, dass die Brücken in Stand gehalten werden, wer putzt, wer tränkt die Blumen und wer macht eigentlich all die Spinnweben weg? Wir haben sie gefunden, die versteckten Helden des Alltags.
Reportagebilder gemäss deinem CI/CD. Storytelling fürs Image
Storytelling fürs ImageFür Marco Rebel hat jede Bildtafel ihren Reiz. «Ich staune immer wieder, wie trotz Klimaschwankungen, Wind und Regen, Einflüssen von Mensch und Tier diese Bilder in einem guten Zustand sind», so der Restaurator.
Es ist faszinierend, welch unglaubliche Informations-Hardware uns da erhalten ist.
Zwar seien gewisse Farben nicht mehr so leuchtend. «Aber die Inhalte sind immer noch da. Auch wenn die meisten verlernt haben, die Bildsprache zu lesen», so Rebel. «Ich selbst habe auch manchmal Mühe. Es ist aber interessant, wenn man dann in Büchern darüber liest.» Bei den 67 Bildtafeln der Spreuerbrücke sind Reichtum und Stand symbolisch dargestellt, zum Beispiel über die Kleidung. «Die Informationen sind sehr verflechtet. Nichts ist zufällig, alles geplant und gewollt.»
GIEBELBILDER: ZUM GANZEN ARCHIV.
Die Gemälde sind auf Holz gemalt. Und Holz arbeitet. «Durch Temperaturschwankungen gibts Bewegung und dadurch auch Schäden auf der Malerei», sagt Marco Rebel. Bevor sich die Malschicht ganz ablöst, steht sie leicht auf. Das ist der Moment, wo der Restaurator sie mit einem Pinsel und Bindemittel wieder andrückt und fixiert. «Wir sind grundsätzlich sehr zurückhaltend und machen nicht zu viel daran, so der ausgebildete Restaurator.
Lieber immer mal wieder statt einmal und dann das Falsche
«Denn manchmal ist zu viel des Guten auch schlecht.» Eine normale Konservierung und Restaurierung dauert mit all den Arbeitsschritten, Farbtrocknung und Absprachen der Denkmalpflege schon mal drei bis vier Monate. Im Moment stehen drei Giebelbilder in seinem Atelier, zwei von der Spreuerbrücke und eins von der Kapellbrücke
Zweimal pro Jahr kontrolliert und reinigt der Restaurator jedes einzelne Bild auf den beiden Brücken. Er protokolliert defekte Stellen und schaut, ob sich alte Schäden verändert haben. Marco Rebel führt über jedes einzelne Bild ein Protokoll.
Kleinere Verunreinigungen entferne ich gleich vor Ort.
Das nennt sich Konservieren, es beinhaltet alles, was dem Erhalt der Bilder dient. Ist ein Bild mehrfach und stark beschädigt, schlägt er es der Denkmalpflege zur Restaurierung vor. Je nach Erhaltungszustand gibt ihm diese pro Jahr ein bis drei Bilder in Auftrag. Dazu holt Marco Rebel das Bild in sein Atelier. Hier inspiziert er jeden Millimeter unter hellen Tageslichtlampen und bessert die schadhaften Stellen aus.
Pseudo-Wurm
Der Holzwurm ist eigentlich kein Wurm, sondern ein Käfer. Er legt seine Eier ins Holz.
Die Larve
Sie frisst sich durchs Holz. Und wächst.
Verpuppt
Ist die Larve genug gewachsen, verpuppt sie sich knapp unter der Holz-Oberfläche.
Der Käfer
Aus der Verpuppung entsteht ein Käfer, der ausfliegt. Frische, helle Löcher sind ein Zeichen, dass sie kürzlich ausgeflogen sind.
Die Eier
Man vermutet, dass die Käfer zurückkommen, um neue Eier zu legen. Das Spiel beginnt von vorn.
Marco Rebel liebt seinen Job. Nur etwas bringt ihn an seine Grenze: Die vielen Spinnen unter den Dächern der Brücken. «Ich habe eine Spinnenphobie.» Auf seinen Kontrollgängen muss er die Gemälde unter den Giebeldächern reinigen und sämtliche Spinnweben entfernen. «Das ist für mich ganz schlimm.» Vor allem im Herbst, wenn sich die Insektenfresser den Sommer über die Bäuche vollgeschlagen haben. «Das sind dann richtige Fetzen. Da läufts mir schon mal kalt den Rücken runter.» Ein Tag auf der Kapellbrücke, zwei auf der Spreuerbrücke, so lange dauern die Reinigungs- und Konservierungsarbeiten im Schnitt. Drei harte Tage für Rebel:
Es ist schon gewöhnungsbedürftig für einen, der Spinnen nicht mag.
«Obwohl es mich eigentlich auch neugierig macht, wie alt die sind, welchen Lebenszyklus sie haben. Nur eben lieber aus der Distanz.» Um diese zu halten, hat Rebel extra eine Eigenkonstruktion gebaut, um die Spinnweben zu umwickeln. «Früher hatte ich nur so kurze Stäbchen, das war mir zu nah. Die neuen sind länger und dicker. Not macht erfinderisch.» Sagts und lacht. Wer Marco Rebel in diesen Tagen auf den Brücken antrifft, findet ihn eingepackt in Handschuhe, Schurz und Mütze. Für die Distanz.
Der Restaurator verwendet nur alterungsbeständige Farbpigmente. Er retuschiert also den heutigen Zustand des Bildes, nicht denjenigen vor 400 Jahren. Früher wurden zum Teil Farben verwendet, die nicht lichtbeständig sind. Diese haben sich im Laufe der Jahre verändert. Würde der Restaurator nun dieselben Farben verwenden, würden sich diese auch wieder verändern.
Elfenbeinschwarz – diese historische Farbe wird aus gebrannten Knochen gemacht und wird heute noch gebraucht.
«Die teuerste Farbe ist Lapislazuli, ein Farbpigment aus dem Edelstein. Sie ist so wertvoll wie Gold. Darum hat man sie auch mit Gold abgewogen und nur sehr sparsam eingesetzt. Heute verwendet man stattdessen das synthetisch hergestellte Ultramarin.»
Marco Rebel, Konservator-Restaurator FHDie Bilder sind für die Brücken gemacht worden. Ich finde es gut, dass die Originale hier hängen. Es ist ihr Platz.
Einblick in einen Mikrokosmos, zu dem man normalerweise keinen Zugang hat. Schräg, lustig und traurig: Ein Bildband jenseits der Klischees.
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