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Katrin. Die Eigenwillige.

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Katrin Kunz aka «Die Eisenhand» mag riesige Schmuckstücke, auffallende Kleidung und rosarote Haare. Nur mit dem gerechten Lohn einfordern, hat sie ihre Mühe. Warum Raum einnehmen wichtig ist, was Handwerk für sie bedeutet und was das Glasauge in ihrer Schublade macht.

Braucht Schmucktragen Mut?
Katrin: Ja, vielleicht. Ich mag es, wenn meine Kundschaft nicht nur ein kleines, feines Ringli möchte.

Was rätst du jemandem, der sich nicht traut, auffällige Schmuckstücke zu tragen?
Es ist meistens ein Reinwachsen. Am besten in kleinen Schritten. Ich habe Kund*innen, die bisher nur feine Schmuckstücke in Silber getragen haben und dann mit mir auf die Reise gekommen sind. Dabei haben sie sich immer mehr zugetraut. Bis hin zum fetten Klunker. Ich persönlich mag solche Schmuckstücke lieber. Das war schon immer so. Mein Ziel ist es, dass ich nicht so klein und härzig wirke. Denn, das bin ich nicht. Da möchte ich gegensteuern und optisch transportieren wer ich bin. Und für das finde ich Schmuck mega praktisch – und Kleider und Frisuren.

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Zu wem passt denn ein feines Ringli und zu wem besser ein fetter Klunker?
Mein Job ist es, das herauszufinden. Bevor ich etwas anfertige, muss ich wissen, was genau die Leute tragen wollen und auch können. Es müssen nicht alle einen fetten Klunker tragen. Das Schlimmste ist, wenn jemand einen solchen kauft, aber dann trotzdem nie trägt und er nur immer in der Schublade liegt.

Und wie findest du das raus?
In stundenlangen Beratungsgesprächen. Da schaue ich mit meinen Kund*innen in meine Schubladen rein und ich beobachte, was ihnen gefällt, was nicht und hole dann immer neue Dinge raus, die ich ihnen zeige. Häufig weiss ich schon im ersten Moment, was passt, aber mir ist trotzdem wichtig, dass sie es selber rausfinden können.

Mut heisst, aus der Komfortzone rauszugehen.

Katrin Kunz, Goldschmiedin

Was war das Mutigste, das du bisher gemacht hast?
Vielleicht das Wrestling. Da gehe ich weit aus meiner Komfortzone raus, stehe plötzlich auf einer Bühne und vor Publikum, das mich erwartungsvoll anschaut. Mut hat für mich damit zu tun, dass ich aus der Komfortzone rausgehe. Auch der Auftragsstopp, den ich kürzlich für neue Aufträge verhängen musste, ist für mich mutig. Mir solche Grenzen zu setzen, braucht mega viel Überwindung.

Was bedeutet BOLD-Sein für dich?
Es geht ums Raumeinnehmen. Und das heisst auch, andere nicht meinen Raum einzunehmen lassen. Also Grenzen setzen. Bold sein kann auch bedeuten, etwas Neues zu wagen. Etwas, wo man sich noch nicht als Expertin fühlt. Und dabei auch Fehler machen darf und noch nicht perfekt sein muss.

Wo fällt es dir leicht, bold zu sein, wo eher schwer?
In meinem Erscheinungsbild fällt mir das leicht – ob riesige Schmuckstücke, rosarote Haare oder komische Kleidungsstücke. Und ich fühle mich wohl, vor anderen zu reden. Schwerer fällt es mir, meinen gerechten Lohn einzufordern. Ganz allgemein etwas einzufordern, zu sagen «hey, ich kann das nicht bis dann abliefern». Also das Einfordern des Respektierens meiner gesetzten Grenzen. Es ist nicht so, dass ich diese nicht mitteile, aber sie werden ganz oft nicht wahrgenommen. Darum muss ich es halt noch lauter sagen.

Der Reminder mit Kult-Potential

Weil BOLD-Sein immer wieder in unseren Gesprächen aufploppte, haben wir gemeinsam mit Katrin die Idee für einen BOLD-Ring ausgeheckt. Es gibt mehrere Ausführungen, jede ganz individuell. Einmal am Finger, erinnert er uns im Alltag immer wieder daran, für uns selbst einzustehen. Kuhl(t), oder?!

Wer ein solches Kultteil reservieren möchte, braucht noch bizli Geduld, da Katrin Kunz grad – BOLD wie sie ist – einen Auftragsstopp verhängt hat. Aber auf der Reservationsliste kannst du dich auf jeden Fall eintragen.

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Wieso machst du, was du machst?
Ich arbeite gern im Handwerk, weil Handwerken ist für mich eine Art Perpetuum mobile. Ich stecke in etwas Energie, daraus entsteht ein Werkstück und das Gefühl, das ich habe, wenn ich etwas erschaffen habe und das dann den freudigen Personen abgeben darf, gibt mir wieder Energie, etwas Neues zu machen – immer wieder. Ich bin gerne selbständig. So arbeite ich am besten, so kommt am meisten dabei raus.

Was bedeutet dir die Arbeit mit den Händen?
Mich fasziniert jedes Handwerk. Ich möchte jedes Handwerk lernen und können. Es ist einfach magisch, aus irgendwelchen Zutaten etwas komplett Neues herzustellen. Egal ob mit Holz, Metall oder Gemüse. Das macht mich unendlich glücklich und ist für mich das Logischste auf der Welt.

Wie strukturierst du deinen Alltag?
(lacht hysterisch)

Woher nimmst du deine Inspiration und Ideen?
Ich arbeite mega fest so, dass ich nicht einfach etwas kreiere, das ich mir ausdenke. Ich habe ein Sammelsurium von Zeugs, das ich gerne hervorhole und mich inspirieren lasse, wie diese eine Schublade mit lauter Gegenständen, aus denen ich irgendwann mal was machen will. Es sind alles zufällige Funde aus einem Antiquariat oder ähnlichem. Zum Beispiel mit diesen Glasaugen möchte ich mal so chli gfürchige Ringe machen oder einen Anhänger. Ich stelle es mir cool vor, wenn dich aus dem Ausschnitt noch so ein drittes Auge anguckt. Oder die Käfer, die möchte ich mal noch abgiessen.

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#kurzgesagt

Gold oder Silber?

Gold. Es ist so warm und hat eine andere Präsenz als Silber. Silber ist der Mond und Gold die Sonne.

Fett oder dezent?

FETT! Muss ich das weiter ausführen (lacht)?

Naturalistisch oder geometrisch?

Naturalistisch.

Ohrläppli oder Ringfinger?

Zum Anschauen oder um etwas dranzuhängen? Ich sage Finger, die kann man selber anschauen – ohne Spiegel.

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Wie motivierst du dich selbst?
Das ist ganz einfach. Ich gucke einfach meine schönen Sachen an. Wenn ich darin nosche, bin ich sofort wieder voller Tatendrang.

Dann ist bei dir immer alles im Flow?
Es gibt natürlich schon Projekte, wos klemmt und ich was machen muss, es aber nicht zusammenkriege. Das kann technisch oder gestalterisch sein. Ich weiss, dass das dann schon irgendwann klappt und ich die Lösung finde. Ich mache einfach zuerst etwas anderes. Aber wenn ich eine Deadline habe… Immer wieder schaffe ich es, dass ich das Stück erst eine Viertelstunde, bevor es abgeholt wird, fertig habe. Die Leute haben immer das Gefühl, ich habe alles so im Griff, dabei kann ich einfach gut schauspielern (lacht).

Was rätst du wenn jemand den Mut verlässt zum BOLD sein?
Mutig sein ist ein Prozess. Mir hilft es, mir vorzustellen, was wäre, wenn es um jemand anderes gehen würde. Zu sich selber ist man ja immer viel härter, strenger und gemeiner. Dieser Perspektivenwechsel finde ich hilfreich.

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Boldsein hat ja viel mit authentisch sein, echt sein zu tun. Das hat Parallelen zu deinem Handwerk. Wie siehst du das?
In der Goldschmiede-Lehre geht es darum, dass etwas gerade ist, exakt und um perfekte messerscharfe Kanten. Ich kann das mega guet und habe mich halb in den Wahnsinn getrieben mit diesen Ansprüchen. Doch wenn ich mir so Ziele setze, die so entgegen meinem Gefühl gehen, nimmt mir das die Freude am Arbeiten. Meine Herangehensweise ist eine andere, die ist genauso gut und genau so viel wert. Nicht, weil ichs nicht kann, sondern weil es mich unendlich viel Energie kostet, etwas zu machen, das ich nicht gerne mache. Und ich muss das ja auch nicht tun, darum mache ich das nicht, ha!

Was hat Echtes für einen Wert? Und wie bemisst man ihn?
In meiner Branche dreht sich alles um echt oder unecht. Ich sehe Schmuck nicht als Geldanlage. Ich kann auch mit einem Glasauge arbeiten. Echt ist, wenn etwas aus mir heraus entsteht – und nicht von aussen. Ich kann mir zum Beispiel nicht vorstellen, jemanden anzustellen, der in meinem Auftrag Sachen fertigt, die ich dann unter meinem Namen verkaufe. Echt ist, was ich mache. Es hat ganz viel von mir drin und darum eine ganz andere Energie. Die Zeit und Energie, dich ich mit jedem meiner Werkstücke verbringe, ist viel mehr wert. Etwas, was einfach aus einer Maschine ploppt, hat für mich weniger Wert.

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Du präsentierst deine Schmuckstücke auf ungewöhnliche, branchenunübliche Art und Weise. Wie kam es dazu?
Am Anfang meiner Selbständigkeit habe ich bestimmte Dinge so gemacht, wie man es eben macht. Habe so Schmuck gemacht, mich so präsentiert und so weiter. Dann habe ich gemerkt, dass ich aber nicht so bin. Mein Potenzial liegt woanders. Und am weitesten weg von einer weissen oder schwarzen Präsentationsmatte sind eben diese freakigen Hologramm-Papiere, die ich bis vor kurzen nutzte. Ich habe sogar gemerkt, dass die Menschen nun meine Sachen genauer anschauen, weil man sie auf den ersten Blick nicht richtig gut sieht. Aber nun habe ich mir schon wieder was Neues ausgedacht, um meine Stücke zu präsentieren (lacht).

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Chaos oder Struktur?

Struktur. Ich kann nur mit Struktur arbeiten, finde es aber mega komplex, mir meinen Alltag zu strukturieren. Die Welt bringt meine schöne Struktur immer durcheinander. Ich allein könnte sie schon durchziehen.

Design oder Funktion?

Beides. Gutes Design hat eine optimale Funktion. Wenn etwas wahnsinnig hässlich ist, aber mega praktisch, muss es in den Schrank. Um mich herum muss alles schön sein.

Talisman oder Zierobjekt?

Talisman.

Erbstück oder Neukreation?

Es kommt darauf an, wie schön es ist (lacht).

Werkbank oder Schreibtisch?

Werkbank.

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«Es müssen nicht alle einen fetten Klunker tragen.»